Wir reden über Sexualität

Wenn wir über Sexualität oder Sexualleben reden, tun wir so, als ob sie ein Wesen oder ein Leben wäre, das außerhalb von uns existiert. Und dieses Wesen wird entweder gemobbt, zum Helden oder zu einer Provokation gemacht. Manche kokettieren mit ihm, für andere ist ein “Pfui”-Thema voller Scham. Dabei ist Sexualität ein integraler Teil unseres Wesens. Und spielt eine große Rolle für unsere Lebensqualität.

Es sind auch nicht nur unsere Geschlechtsorgane die die Sexualität ausmachen, sondern auch unsere Sinnesorgane, unser Geist und unsere Art und Weise Sexualität zum Ausdruck zu bringen.

Haltende Haende eines Paares

Die Rolle der Körperwahrnehmung in einem erfüllten Sexualleben

Dieses Thema begenet mir indirekt bei meiner Arbeit in meinem Studio für Körpertraining und Haltungscoaching häufig. Meistens unter der großen Überschrift “Beckenboden”, sowohl bei Älteren, als auch bei sehr jungen Menschen.

Bei den jüngeren sind es meist junge Frauen die beim Geschlechtsverkehr unter Verkrampfung und Schmerzen im Beckenbodenbereich leiden, bei den älteren sowohl Frauen als auch Männer, die unter Schwäche leiden sowie unter dem Gefühl „nicht mehr funktionieren zu können“.

Bei der Arbeit merke ich, wieviel Druck und Manipulation durch irreführende Emotionen und Information hinter diesen Beschwerden stecken. Mein Eindruck ist, dass Sexualität zu mechanisch gesehen und gelebt wird. Sie ist stark von Glaubenssätzen und Mustern beeinflusst, die von „außen“ kommen und nichts mit uns selbst und unserer Integrität zu tun haben.

Sexualität ist hoch individuell. Einzigartig und für jeden anders, wie unser Fingerabdruck. Es ist also absurd, blind einer von außen gegebenen Schablone zu folgen, wenn wir unsere Sexualität ausleben. Und das tun wir oft, wenn auch unbewusst.

Befreien Sie sich von äußeren Einflüssen

Äußere Faktoren, wie

  • die Kindheit (wie gingen unsere Eltern damit um)
  • die eigene Geschichte und Erfahrungen (ob sie gut oder nicht so gut gewesen sind)
  • die eigene Religion oder Moralvorstellungen
  • die Aussagen von Freund:Innen
  • Oder Informationen aus dem Internet und Medien (Videos, Artikel, etc)

beeinflussen und prägen uns, ob wir das wollen oder nicht. Und aus diesen Faktoren entsteht in unserem Gehirn ein Bild, das unsere Haltung gegenüber Sexualität mitbestimmt. Das Bild, das sich aus all diesen Faktoren bildet ist unvermeidbar, denn wir haben nur wenig Kontrolle darüber. Aber über die daraus resultierende Haltung schon. Problematisch ist es dann also, wenn wir die Zügel unseres Sexuallebens diesem Bild komplett übergeben. Oder anders ausgedrückt, wenn wir dieses Bild nur von diesen äusseren Faktoren zeichnen lassen. Fremdgesteuert, gebildet aus Emotionen, Gedanken und gemachten Sätzen anderer. Dann entwickeln wir eine ungesunde Sexualität. Dadurch kann Druck, Obsession, Scham, Provokation, Frustration etc. entstehen.

An diesem Punkt möchte ich Kritik an den Schulen äußern, in denen sich der Sexualunterricht auf die Erklärung von Geschlechtsorganen, der Befruchtung, der Verhütung und der Vermeidung von Infektionen konzentriert. Der Fokus ist nur auf Probleme gerichtet, aber was Sexualität für jeden von uns bedeutet, wie sie ausgelebt werden kann und warum sie für unsere Lebensqualität so wichtig ist, darüber wird zu wenig geredet. Und genau diesen so wesentlichen Teil, holen sich diese jungen Menschen dann von außen, von Erzählungen, Medien und Pornografie. Ich verteufle dabei nicht die Pornografie per se, aber sie ist definitiv nicht geeignet für eine grundlegende Sexualbildung.

Die gute nachricht

Auch fest verankerte und unnatürliche Muster können aufgebrochen und geändert werden. Das, was ein gesundes Sexualleben ausmacht ist eine gesunde Körperwahrnehmung und daraus resultierend eine gesunde Körper- und Geisteshaltung, der Respekt vor der physischen und psychischen Integrität.

Je differenzierter wir die Strukturen unseres Körpers und deren Interaktion ertasten und erspüren können, desto mehr unterstützen wir die Propriozeption und die Neurozeption. Die Fähigkeit, uns zu erspüren, wahrzunehmen und zu genießen.

Jeder von uns hat diese Fähigkeit. Ich vergleiche sie mit einer inneren Taschenlampe, mit der wir ins uns hineinleuchten und uns wahrnehmen. Jeder besitzt sie, aber wir entscheiden ob wir sie anmachen oder nicht. Ob wir die differenzierte Wahrnehmung aktiv anwenden oder nicht.

Wenn wir uns dafür entscheiden, sind auch die anderen Entscheidung im Leben stimmig und kohärent mit dem, was wir sind. Auch in der Sexualität.

Vom Zwang zur Leidenschaft

Ab diesem Moment folgen wir keinem Muster, sondern lassen wir uns auf ein Gespräch mit dem eigenen Körper und mit unserem Partner oder Partnerin ein. Denn Sexualität sollte eine Art non-verbales Gespräch mit unserem Partner oder Partnerin sein und darf sich währenddessen gerne weiterentwickeln. Und es wird sich um so schöner, intensiver und genussvoller entwickeln, je mehr wir diese differenzierte Wahrnehmung aktiv halten und weiterentwickeln. Dann sind wir durchlässig und leicht. Ohne irgendeine Technik lernen zu müssen. Wir führen ein authentisches und respektvolles Gespräch.

Die Zügel und die Kontrolle gehören der Körperwahrnehmung und der Körperhaltung, was sich wiederum positiv auf unsere innere Haltung auswirkt. So wird dieses intime Gespräch um so schöner und qualitativer werden. Ohne ein Richtig oder Falsch, ohne Druck oder Frustration, ohne Muster. Sondern mit etwas, das im Hier und Jetzt entsteht und geschieht, mit Leidenschaft, mit Respekt und definitiv mit (einer ordentlichen Dosis) Spiritualität!

Gemma Mari Gurt

Gemma Mari Gurt

Haltungscoach

Seit über 30 Jahren trainiere ich Menschen in Gruppen und im Einzel-Coaching. Mich fasziniert die Vernetzung körperlicher, geistiger und seelischer Haltung. Über die Jahre ist die Haltung für mich ein Lebensstil geworden.

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